„Wir sind auf dem Höhepunkt des Angstzyklus“

24. März 2020

Interview mit Dr. Axel Cron, CIO bei HSBC Global Asset Management (Deutschland)

Pandemie: Das Corona-Virus hat die Welt und die Aktienmärkte erreicht. Die Verunsicherung der Anleger steigt. Doch die Lage dürfte sich auch wieder normalisieren. Die Politik hat bereits diverse Hilfsmaßnahmen veranlasst.

Netfonds: Wie wirkt sich das Coronavirus schon jetzt auf die Wirtschaft aus?

Dr. Axel Cron: Virus ist ein Schock für die Weltwirtschaft. China scheint in diesem Zusammenhang schon fast abgehakt, es geht jetzt um Europa und den Rest der Welt. Die Auswirkungen des Virus betreffen Angebots- und Nachfrageseite. Produktionen sind stillgelegt, Lieferketten unterbrochen. Konsumenten ändern ihr Verhalten, sie gehen nicht mehr auf große Veranstaltungen und stornieren Reisen. Gewisse Branchen, etwa die Logistik- oder Reisebranche, geraten extrem unter Druck.

Netfonds: Was kommt noch auf die Wirtschaft zu?

Dr. Axel Cron: Die Pandemie ist ein temporäres Phänomen. Es ist aber die Frage, wie lange Unternehmen durchhalten können. Wenn viele pleitegehen, kann sich die Angebotsstruktur nachhaltig verändern. Und es gibt einen Effekt auf die Nachfrage: Verlieren Beschäftigte ihren Job, trübt sich die Verbraucherstimmung ein und die Kaufkraft sinkt. Die Politik muss dafür sorgen, dass das vorübergehende Phänomen keinen dauerhaften Schaden anrichtet. Zinssenkungen helfen hier kaum, es braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Die Politik scheint dies aber auch sofort erkannt zu haben. Initiativen wie Steuerstundungen, Kurzarbeitergeld, Brückenkreditprogramme werden ausgerufen. Für den Investor sind dies allerdings keine klaren Zeichen, dass er sich keine Sorgen machen muss und sofort wieder in den Aktienmarkt einsteigen kann.

Netfonds: Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Was steckt hinter den starken Kursverlusten?

Dr. Axel Cron: Wir sehen an den Börsen eine Mischung aus Panik und quantitativ gesteuerten Strategien, eventuell mischen auch noch einige Hedge Fonds mit. Wir befinden uns zurzeit auf dem Höhepunkt des Angstzyklus. Rationale Bewertungen spielen hier keine Rolle. Das Virus bringt uns in ein völlig unbekanntes Terrain. Ganze Volkswirtschaften werden nahezu stillgelegt. Dies sind sicherlich richtige Entscheidungen, aber sie verunsichern. Hinzu kommt, anders als etwa in der Finanzkrise, dass jeder die Auswirkungen spürt und sieht: Die Krise sitzt quasi bei uns auf dem Sofa. Das strahlt Ängste aus. Dieser Zustand hält jedoch nicht ewig an. Menschen passen sich an die neue Situation an, und es kommt zur Normalisierung. Bis dahin dauert es aber sicherlich noch einige Zeit.

Netfonds: Welche Rolle spielt der Ölpreisschock?

Dr. Axel Cron: Der scharfe Preiseinbruch beim Öl hat zunächst einmal die Aktienmärkte weiter auf Talfahrt geschickt. Letztlich sind niedrigere Ölpreise jedoch positiv fürs weitere Wachstum. Gerade die wachstumsstarken Länder in Asien sind Nettoimporteure von Öl, und für die ist das ein kleiner Konjunkturstimulus. Betroffen sind vor allem Energieunternehmen, von denen viele börsennotiert sind. Vor allem im US-High-Yield- Bereich gibt es zahlreiche Energiefirmen, die jetzt unter Beschuss geraten. Hier kann aber politisch schnell eingegriffen und abgefangen werden. Es gibt wenig Argumente dafür, dass das sehr günstige Öl die Konjunktur nachhaltig belastet.

Netfonds: Ihre Prognose für die nächsten Monate?

Dr. Axel Cron: Ich sehe keinen Grund, warum die Konjunktur langfristig am Boden bleiben sollte. An den Börsen wird die Panik langsam abebben, ein Aufwärtstrend wird aber eher langsam erfolgen. Ein dickes Kursplus am Jahresende werden wir sicherlich nicht mehr erreichen, aber ich gebe das Börsenjahr 2020 noch nicht ganz verloren. Bei den Zinsen könnte sich eine interessante Konstellation ergeben. Die Geldmarktzinsen werden definitiv niedrig bleiben. Was die längerfristigen Zinsen angeht, gibt es Grund zu vorsichtigem Optimismus, da die staatliche Hand mit erheblichen Stützungsmaßnahmen eingreifen wird.

Dr. Axel Cron, HSBC Global Asset Management (Deutschland)

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