Was machen die Zinsen in 2019?

28. November 2018

Zinsmarkt in Bewegung

Der Druck auf die EZB steigt. Wird sie diesem nachgeben und 2019 die Zinsen anheben? Einige Gründe sprechen dafür. So steigt die Inflationsrate langsam aber sicher an. Lutz Röhmeyer, Geschäftsführer und Fondsmanager bei CAPITULUM, erläutert im exklusiven Interview seine Sicht auf den Zinsmarkt. 

Wie ist Ihre aktuelle Einschätzung zur Lage an den Zinsmärkten?

Dem klassischen Zinssparer steht nach einer langen Leidensphase nur Aussicht auf minimale Besserung ins Haus. Erstmals seit der globalen Finanzmarktkrise vor zehn Jahren entsteht eine positive Dynamik. Das bedeutet aber natürlich noch lange nicht, dass sich plötzlich zufriedenstellende Zinserträge erzielen lassen, da die notwendig gewordenen gewaltigen Rettungsmaßnahmen zunächst einmal wieder geordnet abgebaut werden müssen. Somit ist trotz guter Fundamentaldaten die aktuelle Zinslage immer noch stark durch die Eingriffe der Notenbanken verzerrt und wird wohl auch auf absehbare Zeit nicht auf das Vorkrisenniveau klettern.

Was glauben Sie, wann wird der erste Zinsschritt der EZB kommen? Sehen Sie die Bedingungen dafür schon als gegeben an?

Der Druck auf die EZB wächst, mit dem Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik zu beginnen. Die Gründe dafür liegen formal in der wieder über das Zielniveau steigenden Inflationsrate als Hauptsteuerungskriterium der Notenbank. Darüber hinaus aber auch in den immer negativer beurteilten Nebenwirkungen der Rettungsmaßnahmen, die man gern beenden möchte, bevor sie zu einem wirkungslosen Dauerzustand verkommen. Hier könnte man argumentieren, dass der für Herbst 2019 avisierte erste Zinserhöhungsschritt der EZB von wahrscheinlich nur 0,1% eigentlich bereits heute fällig ist. Da die Entscheider aber nicht mit einem Fehler für die nächste Rezession verantwortlich gemacht werden wollen, wird dieser Zinsschritt auch nur dann erfolgen, wenn es sowohl die konjunkturelle Lage als auch die Politik in Europa zulassen, ohne eine neue Eurolandkrise heraufzubeschwören. Schon bei den ersten Anzeichen einer Marktschwäche ist mit dem Ausbleiben oder einer Verschiebung zu rechnen.

Die USA haben die Zinswende bereits vollzogen. Gehen die Zinsen hier weiter nach oben oder ist es eher realistisch, dass jetzt eine Pause eingelegt wird?

Auch wenn sich die Zinserhöhungen durch die Projektionen und die Kommunikation der FED besonders gut planbar und in einem gemächlichen Tempo vollzogen, ist man hier vorauslaufend bereits in einem späten Zyklus angekommen. Obwohl die Notenbanker noch voller Zuversicht auf die sehr starke US-Volkswirtschaft bei niedriger Inflation und geringer Arbeitslosigkeit hinweisen, bestehen hier inzwischen starke Wachstumsbefürchtungen für die nun vor uns liegenden Jahre. Damit ergibt sich für die USA eher das Risiko, die für 2019 geplanten drei Zinsschritte zur Stützung der Konjunktur zu reduzieren oder notfalls ganz zu streichen.

Durch die Zinserhöhungen in den USA ist der Renditeabstand zu deutschen Staatsanleihen mittlerweile auf historischen Höchstständen. Was bedeutet das für Anleger und für Ihre Zinsstrategien als Fondsmanager?

Der einfache Erwerb von attraktiv verzinst erscheinenden US-Staatsanleihen ist für den Euroanleger, der keine unnötigen Fremdwährungsrisiken eingehen möchte, nicht sinnvoll. Die Absicherung des Währungsrisikos ist nur noch zu prohibitiv hohen Kosten möglich. Neben der rekordhohen Zinsdifferenz kommt aktuell noch eine negative Währungsbasis als Belastung für den heimischen Anleger hinzu, die unter dem Strich diese Investition noch schlechter verzinst als deutsche Bundesanleihen. Für unsere globalen Zinsstrategien bedeutet das beispielsweise, dass wir den Anteil von US-Zinspapiere im Jahr 2018 zugunsten von Anleihen in Euro deutlich reduziert haben. Auch ein Ausweichen auf Anleihen in Schweizer Franken war sinnvoll, da man hier im Gegensatz zum US-Dollar durch die Währungssicherung sogar noch Zusatzerträge erzielen kann.

Wo sehen Sie derzeit attraktive Anlagemöglichkeiten im Anleihebereich?

Auch wenn die Zinswende in den USA bereits erfolgt ist und Euroland absehbar folgen wird, bieten sich insbesondere nach der in diesem Jahr gesehenen Korrektur höher rentierliche Rentenmarktsegmente für ein Investment an. Der langsame und planbare Zinsanstieg wird aufgrund der drückenden Staatsverschuldungen vom Ausmaß her begrenzt bleiben. Mit den wieder steigenden Marktzinsen besteht zudem für den Anleger das Risiko, die ohnehin niedrigen Zinseinkünfte durch Anleihekursverluste in den nächsten Jahren zu verlieren. Es empfiehlt sich für konservative Investoren aus unserer Sicht weiterhin, Zins- und Währungsrisiken zur Reduzierung der Schwankungen abzusichern. Solange die Konjunktur nicht unerwartet in eine Rezession abrutscht, schätzen wir Anleihen von Schwellenländern als sehr attraktiv ein. Zusätzlich zu den ohnehin überdurchschnittlichen Zinseinnahmen winken hier zusätzliche Kursgewinne beim Abbau von Risikoaufschlägen. Aktuell verbleibt eine jährliche Ablaufrendite nach Abzug der Kosten für die Absicherung von Währungs- und Zinsänderungsrisiken von überdurchschnittlichen 5%.

Das Interview führte Sasa Perovic.


 

 

 

 

 


Lutz Röhmeyer

Geschäftsführer und Fondsmanager bei der Capitulum Asset Management GmbH

Website: www.capitulum-am.com


 

 

 

 

Sasa Perovic
Leiter Markt- und Fondsresearch

Telefon: 040 / 822 267 257
E-Mail: topfonds@netfonds.de


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