Spätzyklus

22. August 2019

Experten-Ausblick

Aus den USA kommen zwar auch positive Signale, doch belastet der Handelskonflikt den Investitionszyklus. Auch die Industrie in Europa, vor allem in Deutschland, leidet. Axel Cron (Chief Investment Officer bei der HSBC Global Asset Management (Deutschland) GmbH gibt einen aktuellen Überblick.

Der laufende Aufschwung in den USA ist mit einer Länge von nun über zehn Jahren der längste in der Geschichte – jedenfalls seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1858. Gründe, an einer Fortsetzung zu zweifeln, gibt es einige. Eine häufig angeführte, jedoch wenig fundierte Argumentation ist die schiere Länge. Der Wirtschaftszyklus ist jedoch nicht deterministisch.

Für flachere und längere Zyklen gibt es ebenfalls Argumente. In der Vergangenheit wurden Aufschwünge oft durch eine als zu restriktiv empfundene Geldpolitik vorzeitig zur Strecke gebracht. Diese Sorge muss man sich wohl auf absehbare Zeit nicht machen. Und in der jüngeren Vergangenheit haben vornehmlich sektorale Ungleichgewichte – man denke an Immobilien- und Technologie-Blasen – die wirtschaftliche Dynamik jäh beendet. Auch wenn keine dieser potenziellen Ursachen derzeit sichtbar ist, bleibt festzuhalten: Die Phase außerordentlichen Wachstums der vergangenen Quartale, die ihre Ursache nicht zuletzt in dem Fiskalimpuls aus 2017 gehabt haben dürfte, scheint vorbei zu sein. Der immer noch eindrucksvolle Beschäftigungsaufbau verliert allmählich an Dynamik, auch wenn die Juli-Zahlen recht überzeugend ausfielen. Bislang schlägt sich der robuste Arbeitsmarkt nicht in angemessenen Lohnsteigerungen nieder. Dennoch bleibt der US-Konsument ein Garant für weiteres Wachstum. Der Konsum ist kontinuierlich gestiegen, abgesehen von einer kurzen Schwächeperiode Ende 2018.

China hat genügend Anreiz-Instrumente

Im scharfen Kontrast dazu stagniert der Investitionszyklus seit Mitte letzten Jahres. Der Handelskonflikt hinterlässt hier deutliche Spuren, auch in den USA. Dies dürfte ebenfalls die zuletzt wieder schwächeren Daten Chinas erklären. Die Erholung im verarbeitenden Gewerbe war jedenfalls nur kurzlebig. Auch wenn sich der Dienstleistungssektor bisher als vergleichsweise robust erweist – die Indikatoren stehen oberhalb der Höchststände aus 2015 und 2016 –, sind Spillovers aus der angeschlagen erscheinenden Industrie nicht ausgeschlossen.

Das Arsenal der geld- und fiskalpolitischen Gegenmaßnahmen ist jedoch noch lange nicht ausgeschöpft. Die heimische Nachfrage dürfte angesichts sinkender Finanzierungskosten über den Kreditkanal deutlich stimuliert werden. Ein weiteres Opfer der erhöhten globalen Unsicherheit ist die Industrie in den exportstarken Ländern der Eurozone und insbesondere in Deutschland. Verglichen mit anderen europäischen Ländern fällt der Rückgang hierzulande am markantesten aus. Es besteht nun zunehmend die Gefahr, dass auch andere Sektoren in Mitleidenschaft gezogen werden. Zur Abwehr dieser Gefahren ist die Geldpolitik aufgerufen. Nach dem Ende der Kaufprogramme hat das Wachstum der Geldmengenaggregate nachgelassen. Die denkbare Wiederaufnahme der quantitativen Lockerung und weitere Maßnahmen beinhalten das Potenzial, über den Kreditkanal stimulierend zu wirken.

Vorsicht ist ein guter Ratgeber

Wir stehen derzeit einer Kombination aus moderatem Wachstum, signifikanter geld- und fiskalpolitischer Unterstützung und immer noch attraktiven Bewertungen zahlreicher Aktienmärkte gegenüber. Neben den globalen Risiken sollte die Gewinnentwicklung aufmerksam verfolgt werden. Die laufende Berichtssaison erlaubt hier keine klaren Schlussfolgerungen. Die Ausblicke fallen zwar oft düster aus – aber Vorsicht ist in diesen Zeiten nicht nur für Unternehmen ein guter Ratgeber.

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Axel Cron 
Chief Investment Officer, HSBC Global Asset Management (Deutschland) GmbH

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Bild: pixabay.com