Sachwert schlägt Nominalwert

23. Januar 2020

Experten-Ausblick

Das Wirtschaftswachstum und die Unternehmensgewinne werden in den vor uns liegenden Jahren wohl weniger stark steigen als in den vergangenen. Die Demographie, der Trend zur Deglobalisierung, die Kosten des Klimawandels und höhere Staatsschulden stehen dem entgegen. Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege der Flossbach von Storch AG über die aktuellen Märkte.

Als Basisannahme erwarten wir ein durchschnittliches Realwachstum der Weltwirtschaft von etwa zwei Prozent (in US-Dollar gerechnet) im Jahr. Sollte die Marktwirtschaft in Europa weiter an Akzeptanz verlieren, sollten sich die Regulierungsdichte und die Eingriffe in Eigentumsrechte ausweiten, dann wird das Wachstum auf unserem Kontinent noch deutlicher unter dem globalen Durchschnitt liegen, als es ohnehin schon zu erwarten ist.

Die Phase extrem niedriger Inflationsraten dürfte im Laufe der neuen Dekade zu Ende gehen. Als Basisannahme rechnen wir für das neue Jahrzehnt mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von zwei Prozent. Wie stark ein möglicher Vertrauensverlust in das Geldsystem die Inflation anheizen kann, lässt sich jedoch nicht seriös prognostizieren.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das neue Jahrzehnt als Dekade der Finanzrepression in die Geschichte eingehen wird, ist relativ hoch. Die Null- und Negativzinsen sind inzwischen so tief in das Wirtschaftsleben, die Finanzplanung und die Psyche der Menschen eingedrungen, dass sie zunehmend als normal erscheinen. Unternehmen, Privathaushalte, Immobilieninvestoren und Finanzminister können sich ein Leben mit Zinsen – wie in der Welt von gestern – kaum mehr vorstellen. Mit Fortdauer des Tiefzins­umfelds nimmt der Gewöhnungseffekt weiter zu und die Wahrscheinlichkeit einer Zinswende ab. Dass die Staats­schuldenquoten auf herkömmliche Weise jemals wieder auf ein nachhaltiges Niveau sinken können – zum Beispiel auf maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie einmal in den Verträgen von Maastricht vereinbart – ist für viele hochverschuldete Länder illusorisch. Ihnen bleibt aber genügend Luft zum Atmen, solange die Zinsen deutlich unter der Inflationsrate liegen. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass die neue EZB-Chefin Christine Lagarde in ihrer bis Ende 2027 währenden Amtszeit eine geldpolitische Normalisierung einleiten kann, zumal sie ja, anders als ihr US-Kollege Jerome Powell, auch noch den Euro zusammenhalten muss.

In einem Umfeld anhaltend negativer Realrenditen dürften sich Sachwerte langfristig weitaus besser entwickeln als Nominalwerte. Das war zwar in der vergangenen Dekade auch schon der Fall, doch jetzt rückt der Schutz des Vermögens stärker in den Vordergrund. Ein Euro auf dem Sparbuch wird für Kleinanleger Ende der Dekade voraussichtlich nur noch die Kaufkraft von 80 Cents haben, für Anleger größerer Beträge wegen der Strafzinsen noch weniger.

Immobilienbesitz im Fokus der Politik

Immobilien bieten zwar einen besseren Inflationsschutz, sind aber in einer Finanzrepression dem Zugriff des Staates schutzlos ausgeliefert. Höhere Grundsteuern, Grunderwerbsteuern und Mietendeckel sind probate Mittel, um Inflationsgewinne abzuschöpfen. Für Immobilienbesitzer in Berlin hat die Teilenteignung bereits begonnen.

Aktien bieten dagegen nicht nur höhere laufende Erträge als Anleihen oder Sparguthaben, sondern auch einen besseren Schutz gegen Inflation. Dies gilt zumindest für Aktien von Unternehmen, die ihre Umsätze und Gewinne in etwa mit der Inflationsrate steigern können. Vor allem global tätige Unternehmen mit einer starken Wettbewerbsposition und ausreichender Preissetzungsmacht erfüllen dieses Kriterium. Aktien haben zudem den Vorteil, dass der Zugriff des Staats auf Unternehmensvermögen schwerer und vor allem kontraproduktiver ist. Ein Land, das die Substanz seiner Unternehmen aushöhlt, würde international schnell ins Hintertreffen geraten und sich damit auf Dauer selbst ruinieren.

Eine zehnjährige Bundesanleihe garantiert bis Ende der zwanziger Jahre einen nominalen und realen Wertverlust. Entsprechend langlaufende Unternehmensanleihen mit guter Bonität lassen kaum mehr erwarten. Auch bei Konto- bzw. Sparguthaben ist ein realer Wertverlust so gut wie sicher. Bei Gold haben wir einen Kursanstieg in Höhe der Inflation und damit einen realen Kapitalerhalt unterstellt. Im Falle eines Vertrauensverlustes in das  Geldsystem könnte der Goldpreis auch deutlich höher steigen, was uns hoffentlich erspart bleibt.

Das jährliche Ertragspotenzial von Aktien schätzen wir auf 6,6 Prozent vor und 4,5 Prozent nach Inflation. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sind Aktien damit die einzige Anlageklasse, die eine reale Wertsteigerung erwarten lässt. Dabei haben wir eine – im Vergleich zu heute – unveränderte Bewertung von Aktien unterstellt, obwohl das anhaltend niedrige Zinsniveau durchaus einen Anstieg des Multiplikators rechtfertigen würde.

Selbst im Fall eines Bewertungsrückgangs und nur geringfügig steigender Kurse werden Anleger im Jahr 2029 rückblickend feststellen, dass sie in den zwanziger Jahren mit Aktien einen deutlich höheren Gesamtertrag erwirtschaftet haben als mit allen anderen liquiden Anlageklassen und wahrscheinlich auch erneut mehr als mit Immobilien – schon allein weil die Dividenden jährlich 2,5 Prozent Rendite beisteuern.

Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege der Flossbach von Storch AG

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