Crash schlägt Rally – oder etwa nicht?

25. Juli 2019

Ein Gastbeitrag von Philipp Vorndran, Flossbach von Storch

Die meisten Investoren sind sich einig: Die kommenden Monate werden ruppig. Vorsicht ist geboten. Wegen der vielen Risikofaktoren – Handelskonflikt, Naher Osten, Brexit. Eine kurze Einschätzung zur Lage an den Kapitalmärkten.

Ich war kürzlich auf der Anlageausschusssitzung einer karitativen Einrichtung – nicht als Vermögensverwalter, der seine Sicht auf den Markt darlegen sollte, ich saß vielmehr als Anlagebeirat auf der anderen Seite des Tisches. Zuweilen kann der Platz gegenüber sehr angenehm sein. Elf Portfoliomanager waren dort, die über ihre Kapitalmarkteinschätzung berichteten. Das Stimmungsbild war relativ eindeutig: Langfristig seien Aktien alternativlos, gewiss, aber die kommenden Monate, nun ja, da wäre es nicht schlecht, deutlich vorsichtiger zu werden. Nur einer war voll investiert, wobei der einem quantitativen Modell folgt.

Das transportierte Stimmungsbild deckt sich mit den vielen Fragen, die wir von unseren Geschäftspartnern, Kunden und Freunden gestellt bekommen. „Wann kracht es?“, lautet die mit Abstand am häufigsten gestellte Frage – und nicht etwa „ist es nicht wahrscheinlicher, dass der Markt in den kommenden Monaten noch weitere zehn Prozent (oder gar noch mehr) nach oben läuft?“ Der Crash liegt gefühlt viel näher als der Fortgang der Rally, kurz: Crash schlägt Rally – aber warum eigentlich?

Die Zinsen bleiben tief – dauerhaft!

Die großen Notenbanken haben jedenfalls eindeutige Signale gesendet. Ich kann mich noch sehr gut an unsere Webkonferenz im Juni erinnern. Damals sagten wir, dass es angesichts der zunehmend enttäuschenden Konjunkturdaten nur eine Frage der Zeit sei, bis die Notenbanken wieder offensiver über geldpolitische Stimuli diskutieren würden. Ohne, dass wir Insider-Wissen hätten, sondern stattdessen nur 1 und 1 zusammengezählt und etwas Glück beim Timing gehabt haben:  Es dauert gerade einmal 24 Stunden, bis genau diese Signale von den Notenbankern kamen! Die Zinsen bleiben dauerhaft tief – diese Einschätzung wurde, wenn es dem überhaupt bedurft hätte, einmal mehr eindrucksvoll von US Federal Reserve und Europäischer Zentralbank (EZB) bestätigt. Andersherum: Die Alternativen zum Aktienmarkt werden in diesem Umfeld gewiss nicht schöner. Es wäre deshalb das falscheste überhaupt, langfristig nicht in Aktien investiert sein.

Die EZB wird weiter politisiert

Und noch eines sollten wir beachten: Mit Christine Lagarde, der scheidenden IWF-Chefin, folgt eine Politikerin auf Mario Draghis Posten als EZB-Vorsitzender. Lagarde hat zweifelsohne eine Reihe von Verdiensten, ist aber, wie der Blick auf ihren Lebenslauf unschwer erkennen lässt, keine Ökonomin oder qua Ausbildung Expertin für Geldpolitik. Sie ist Juristin und in den Büros des französischen Staates zu dem geworden, was sie heute ist: Eine Politikerin mit Wirtschaftsbezug.

Die zunehmende Politisierung der Notenbank wird durch die Präsidentschaft Lagardes praktisch institutionalisiert. Was das für die praktische Arbeit bedeutet, liegt unseres Erachtens auf der Hand: Die EZB wird sich künftig nicht verstellen (müssen), wenn es darum geht, neue, unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, um die Schulden innerhalb der Eurozone dauerhaft bezahlbar zu halten und schlussendlich den Bestand des Euro zu gewährleisten. Was nichts anderes bedeutet, als dass Lagarde den von Draghi eingeschlagenen Weg weitergehen, dabei womöglich sogar noch Tempo aufnehmen könnte. Im Zweifel wird die Geldpolitik eben noch lockerer.

Möglicherweise wird die EZB in nicht allzu ferner Zukunft Aktien kaufen, so wie es beispielsweise die Schweizerische Nationalbank seit geraumer Zeit tut. Eine Idee, der wir durchaus einiges abgewinnen könnten. Wenn aus Sicht der Notenbank schon Assets aufkaufen, dann doch lieber Produktivkapital anstatt Nominalwerte.

Wie lange trägt der Aufschwung?

So oder so: Die zunehmende Abhängigkeit von der EZB offenbart die strukturellen Probleme der Eurozone und die Unmöglichkeit, so viele verschiedene Volkswirtschaften innerhalb einer Währung zusammen zu bringen. Dieser Umstand ist unseres Erachtens ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass die Eurozone beim Wirtschaftswachstum systematisch hinter den USA zurückbleibt.

Aber auch in den USA ist die Dynamik des Wachstums aktuell deutlich schwächer als in den vergangenen Jahrzehnten, der jüngste Aufschwung weit kraftloser als die vorangegangenen. Da der nunmehr schon rund zehn Jahre währt, fürchten viele Investoren, dass er schon bald an sein natürliches Ende kommen könnte. Wir sehen das etwas anders. Nicht zuletzt weil der Aufschwung so kraftlos ist und von den Notenbanken künstlich unterfüttert, halten wir es für nicht unwahrscheinlich, dass er noch eine Weile weiterläuft, was die Unternehmensgewinne stützen würde und positiv für die Aktienmärkte wäre.

Philipp Vorndran ist Kapitalmarktstratege bei der Flossbach von Storch AG.

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